Minna Kangasmaa | Christine Düwel | Eija Hirvonen | Dorit Trebeljahr | Astrid Weichelt
Galerie Kunstflügel, Rangsdorf, Deutschland
8.5. – 3.7.2022
Der Titel der Ausstellung ÉLAN VITAL UND MOMENTUM zitiert zwei Begriffe aus der Philosophie. Der französische Philosoph Henri Bergson prägte den Begriff des ÉLAN VITAL. Das MOMENTUM kommt bereits bei Aristoteles vor und wurde von anderen Philosph*innen später wieder aufgegriffen. Élan vital steht für Lebensenergie und Lebensschwung, zugleich aber auch für eine verborgene schöpferische Entwicklungstendenz, die in die Zukunft reicht. Mit dem Begriff Momentum ist nach Aristoteles die unteilbare Bewegung gemeint. Das heißt aber nicht einfach nur Stillstand. Denn im Momentum liegen das Innehalten und die Dynamik der zukünftigen Bewegung sehr dicht beieinander. Es geht um den Augenblick, um eine Gegenwärtigkeit, in der etwas in der Luft liegt, aber noch nicht vollzogen ist. Insofern ergänzen sich die bewegte Lebensenergie und die Momente des Innehaltens und stehen in einem engen Verhältnis zueinander. In diesem kreativen Spannungsfeld sind die Arbeiten der sechs Künstlerinnen entstanden.
"Henri Bergson erlebte als erwachsener Mann die Jahrhundertwende und damit den Beginn der Industrialisierung in Europa. Das beginnende Maschinen-Zeitalter mag einer der Gründe gewesen sein, warum er sich viele Gedanken um die Erscheinungen des Lebendigen in der Welt machte. So prägte er den Begriff des ÉLAN VITAL als Ausdruck einer dem Lebendigen innewohnenden Schöpferkraft, einer Kraft, die in jeder Erscheinung des Lebendigen vorhanden ist als Wille zur Gestaltung von Formen und Vielfalt. Zeitgleich mit Albert Einstein entwickelte Bergson eine philosophische „Relativitätstheorie“, indem er sagte, dass Zeit kein fester Begriff sei, sondern in Beziehung zum Raum und von der Erscheinung des Lebendigen selbst abhänge. Er hatte beobachtet, dass die Zeit in der lebendigen Welt einem Fließen gleicht, oder mehr noch einem Schieben, in dem sich Prozesse überlagern und dann wieder dehnen, dass es zwar Ordnung gibt, auch Rhythmen, doch dass diese individuellen Anpassungen unterliegen und sich nicht wirklich mit einer Uhr oder einem Kalender messen lassen." (Kathrin Schrader)
Vitalität ist eine mögliche Übersetzung des Begriffs Élan vital, der vom französischen Philosophen Henri Bergson geprägt wurde. Sein Ziel war die Darstellung einer Art metaphysischer Urkraft, die den Lebensvorgängen innewohnt und diese steuert. In ähnlicher Weise bezieht sich auch der Begriff Prima Materia auf die allgegenwärtige ultimative Substanz. Minna Kangasmaas Kunstwerk „Prima Materia“ aus ungebranntem Ton scheint das Thema der Ausstellung zusammenzufassen.
“Die Zeitrechnung des Lebendigen, auch Chaos genannt, in dem sich das Material in einem kreativen Prozess vermengt, brodelt und bricht, aufreißt und gebiert. Unsere Existenz heute hier, angesichts des Stapels sich auftürmender Krisen, gleicht diesem unklaren Zustand, in dem uns kein Messgerät weiterhilft. Wir tappen in einer dunklen Materie, wir können uns nur langsam voran tasten. Gleichzeitig wissen wir, dass etwas Neues im Entstehen ist, es deutet sich spürbar an. Wann hat das eigentlich angefangen? Und wo wird es enden?” (Kathrin Schrader)