Growing Landscapes

Minna Kangasmaa | Annelie Wallin

ID:I galleri, Stockholm, Schweden
3.–19.10.2025


„Growing Landscapes“ lässt sich auf mindestens zwei Arten deuten. Die erste Deutung versteht den Ausdruck so, dass die Landschaft selbst das Subjekt des Satzes ist und ihr eigenes Wachstum vollzieht. Eine passende Übersetzung des Ausstellungstitels wäre in diesem Fall vielleicht „Wachsende Landschaften“. Die Landschaft ist dasjenige, was dem Leben das gibt, was es zum Leben braucht – zum Beispiel Wasser und nährstoffreichen Boden. Doch über ihre traditionell mütterlichen Eigenschaften hinaus umfasst die Landschaft auch eine Ansammlung grundlegender Grenzen und Schwellen, die gemeinsam die existenziellen Bedingungen für die Organismen bestimmen, die dort leben. Diese variieren natürlich je nach Beschaffenheit der jeweiligen Landschaft – so würde etwa eine Fichte in der Wüste schnell verdorren, und ein Kaktus würde sich in einer bergigen Winterlandschaft kaum wohlfühlen. Wenn die Landschaft als Subjekt auftritt, erscheint sie einerseits als Lebensspenderin, andererseits als Gesetzgeberin.

Eine andere Deutung von „Growing Landscapes“ besteht darin, die Landschaft als Objekt zu betrachten, das durch die Handlungen eines vorausgesetzten, im Text jedoch nicht auftretenden Subjekts im Einklang mit dessen Absichten entsteht. Eine passende Übersetzung wäre hier vielleicht „Landschaften kultivieren“. Wer ist das Subjekt, das das Privileg hat, über die Gestalt der Landschaft zu bestimmen? Historisch lässt sich ein solches Subjekt nicht eindeutig festlegen. Die Einflüsse einzelner Organismen oder Arten waren nie größer als die anderer, die ihrerseits von der Landschaft geprägt wurden. Dies verdeutlicht, wie schwierig es ist, gemäß der vorhergehenden Deutung eine klare Grenze zwischen Landschaft und ihren Bewohnern zu ziehen – die eine passiv, die andere aktiv zu nennen. Der Mistkäfer und der Dung, den er rollt, sollten vielleicht eher als Einheit denn als zwei getrennte und unabhängige Entitäten gesehen werden – als ein Prozess, in dem der Mistkäfer und die Landschaft durch wechselseitige Einwirkung entstehen und sich bilden. So nimmt man etwa an, dass verschiedene Arten von Algen im Laufe von Millionen Jahren die Atmosphäre mit Sauerstoff anreicherten, was wiederum die Entwicklung neuer Lebensformen ermöglichte, die ihrerseits ihre Spuren in der Umwelt hinterließen – und so weiter und so fort. Anstatt etwas Fixes zu sein, erweist sich die Landschaft als eine dynamische Bewegung, die ihre eigenen Impulse erschöpft und zugleich immer wieder neu hervorbringt. Seine Umwelt zu verändern, Landschaften zu kultivieren, bedeutet somit letztlich, sich selbst zu verändern. Was bedeutet das für uns – und für das, was wir „die Moderne“ nennen?

Text: Arvid Bergman